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Wolfskins Tagebuch Teil 7

Freitag,02.09.2016

Nun ist es schon ganze 2 Monate her, dass ich den letzten Tagebucheintrag gemacht habe... Asche auf mein Haupt! Dabei gab (und gibt) es soviel zu berichten. Ich werde versuchen, mich an alles zu erinnern und hier niederzuschreiben. Wird sicher eine längere Angelegenheit ... ;-)

Wolfskin hat sich prächtig entwickelt. Das Vertrauen in uns ist mit jedem Tag weiter gewachsen, und auch Fremden gegenüber verhält er sich anders. Zwar skeptisch und abwartend, aber nicht vorn vornherein ängstlich oder gar panisch.

Jeden Tag gehen wir nun mit der Leine nach draußen. Erst immer noch gesichert wie ein Schwerstverbrecher - mit Kettenleine, doppelten Karabinern, zusätzlich an meinem Gürtel gesichert, mit Handschuhen. Und täglich machte Wolfskin Fortschritte. Lief er anfangs immer im Kreis um mich herum und versuchte in die Leine zu beißen, ließen diese Stressanzeichen schon nach wenigen Tagen merklich nach. Bis sie irgendwann Ende Juni gar nicht mehr auftraten. Wolfskins Laufbewegungen waren nicht mehr panisch und ängstlich, sondern wurden von einer gewissen Neugierde und Freude abgelöst. Aber immer -und das bis heute- hat er mich im Blick, wartet auf mich.

Am 5. Juli wagten wir den nächsten großen Schritt: Wir nahmen Wolfskin die schwere, unhandliche Kettenleine ab und benutzten probehalber ein etwas dickeres Seil als lange Leine. Immer noch hatte ich die Bilder eines um sich beißenden und panischen Angsthundes im Hinterkopf.... Aber mein herrlicher Junge benahm sich mustergültig. Anfangs bewegte er sich etwas unsicher, da ihm auf einmal das fehlende Gewicht der Kette an seinem Halsband stutzig machte. Aber schon nach wenigen Metern im Wald lief er viel ungezwungener und leichter. Was für ein herzerwärmendes Bild! Kein einziges Beissen in die Leine, kein Versuch aus dem Halsband zu entkommen.

Mehrere Stunden am Tag sind unsere Hunde nun allein zu Hause, schliesslich müssen wir auch unserer Arbeit nachgehen. Alles klappte super; Shunka und Josy sind das Alleinsein sowieso gewöhnt, und auch Wolfskin ist in einem Alter, welches keiner ununterbrochenen größeren Dauerbespaßung bedarf. Allerdings gefällt es meinem Schatz nicht so sehr, wenn Mama ihn allein lässt! Strafe muss sein - so musste erst mein Kopfkissen dran glauben, dann die neue Bettwäsche auf meiner Schlafcouch. Beim Betreten des Zimmers dachte Micha erst, von irgendwo her sein ein Huhn reingeflogen und Wolfskin hatte es in die Fänge gekriegt. Aber es waren nur die Federn meines Kopfkissens, die überall umherlagen und sich auch auf Wolfskins Fell verteilt hatten. Das waren die einzigen beide Male, dass er wirklich etwas kaputt gemacht hat. Heute holt er sich oft rumliegende Klamotten von mir aufs Bett und kuschelt mit ihnen. Auch Michas Schuhe hatten schon den wundersamen Weg unter die Bettdecke geschafft, und mein Fuß- und Beinbalsam stand ebenso auf seiner Liste der beliebtesten Kuschel-Utensilien.

Mama, dein Kissen ist ganz plötzlich explodiert - sei froh, dass ich noch lebe!

Da wir natürlich nicht immer nur im Wald spazierengehen können, haben wir auch das Laufen an der kurzen Leine an der Straße geübt. Bei Angsthunden ist es wichtig, sie nicht zu zwingen, sich nah bei einem aufzuhalten. Deswegen ist die lange Leine am Anfang so ideal. Ich habe sie dann Stück für Stück kürzer gehalten, immer mit mehreren Tagen dazwischen. Es machte Wolfskin nichts aus, da er sich draußen sowieso immer in meiner Nähe aufhält. Nach nur 2 Wochen konnte ich das dicke Seile gegen eine normale Lederleine austauschen! Ich war mir sicher, dass er nicht mehr die Absicht hatte, sich von diesem Band am Hals zu befreien.

Dann mussten wir noch die Geh-Ordnung an der Straße klären. Dabei war unsere Shunka auch wieder eine große Hilfe für Wolfskin. Erst hoppelte  er wieder um mich herum und nach links und rechts, und wenn ein Auto kam am liebsten gleich in den Seitengraben springen. Er kannte es doch nicht anders von seinem gefährlichen Straßenhundeleben! Nach einigen Tagen jedoch, an denen ich immer ganz früh am Morgen geübt habe, weil da so gut wie keine Autos kommen, ging Wolfskin wie ein alter Hase links neben Shunka her. Wir müssen allerdings relativ schnell laufen, da er durch sein fehlendes Hinterbein hüpfen muss und dadurch nicht ganz "bei Fuß" gehen kann.  Schaut mal, wie klasse er das schon nach wenigen Tagen Übung gemacht hat:

Da sich Wolfskin nun so sicher an der Leine bewegte, machte ich auch im Wald das Seil ab und ließ meinen Schatz mit einer 15 m langen, ganz leichten Schleppleine aus Biothane laufen. Die ist superleicht und vor allem abwaschbar und wasserfest. Ganz schnell hat Wolfskin mitgekriegt, wie er laufen muss um die Leine immer an einer Seite und nicht zwischen den Beinen zu haben. Ein so schlaues Kerlchen! Mit dieser Leine kann mein Herzblatt relativ unbeschwert und "frei" laufen; egal ob durch nasses Gras mit Baby Pelle, über dreckige Waldwege oder durch Bach und Pfützen mit Busenfreundin Shunka. Man sah jeden Tag, wie Wolfskin aufblühte. Also:  Wenn Mama ruft, rennt Schatzi nicht mehr außenrum, sondern mitten durch die Pfütz! Yeah! :-)

Nach nur 4 Monaten bei uns wird Wolfskin mutiger und entwickelt mehr Selbstvertrauen. Immer öfter ist er in unserer Nähe, legt sich mit auf die Veranda, stellt sich an der Essensausgabe an oder leistet mir einfach so in der Küche Gesellschaft.

Halsband und Leine anlegen ist mittlerweile ein Klacks - im Gegenteil. Hatten wir erst riesige Probleme, unser Sorgenkind nach draußen zu bekommen, hat sich seine Einstellung zu "draußen" gründlich geändert. Er geht gern raus, genießt das Umherschnuppern und ungehindertes Laufen, was mit der langen Schleppleine schon ein gewisses Maß an "Freiheit" bedeutet. Aber immer ist Wolfskin aufmerksam, folgt mir mit den Augen und nutzt kaum einmal die komplette Leinenlänge aus, bevor er auf mich wartet. Ich bin so stolz auf ihn.

Ende Juli haben wir dann auch endlich unseren ersten richtigen Tierarzt-Termin gehabt. Gleich nach seiner Ankunft war zwar unsere TÄ bei uns zu Hause, aber da war ja an eine Untersuchung oder gar Impfung nicht zu denken. Sie hat Wolfskin damals nur von Weitem und nur die Nasenspitze gesehen..

Wir sind dann am 22.7. mit Wolfskin in seiner Box im Auto zur Praxis gefahren. Da mir relativ klar war, dass wir ihn wohl nicht so ohne weiteres freiwillig in die Räume der TÄ bekommen würden, haben wir es einfach umgekehrt gemacht - Lise Marie (unsere TÄ) kam zu ihm ins Auto. Wir haben uns erst eine Weile zusammen in den Transporter gesetzt, dann die Autotüre zugemacht, Käfig auf.  Wolfskin kam heraus und hat sich von Lise Marie streicheln lassen. Ich wusste, dass Wolfskin nicht beißt, aber auch Sicherheitsgründen wollte ihm Lise trotzdem einen Beißschutz anlegen (keinem Maulkorb, sondern so ein weiches Stoffding), damit sie ihm ohne Gefahr eine Betäubungsspritze geben konnte. Wir hatten nämlich beschlossen, den Schatz nicht zu stressen und ihn während der Untersuchung, Impfung, Krallen schneiden, Zähne gucken usw  schlafen zu lassen. Auch hätten wir ihn ohne Betäubung nicht auf den Behandlungstisch bekommen - das ist eins der wenigen Dinge, die Wolfskin bis heute nicht toleriert: Hochheben und Tragen.

Und soll ich euch was sagen? Ohne mit der Wimper zu zucken hat  sich Wolfskin das Maul zubinden lassen, und auch die Spritze in den Nacken hat er ohne einen Mucks hingenommen. Er hat nicht eine Sekunde unruhig oder nervös gewirkt! Ich war so stolz auf meinen Jungen! Wir haben seinen Tiefschlaf dann auch ordentlich ausgenutzt und alles auf Vordermann gebracht. Die TÄ meinte, er hätte tolle Zähne, und auch ansonsten ist mein Herzblatt kerngesund. Die Krallen haben wir ordentlich gekürzt - und es gibt Rabatt fürs Schneiden (schließlich sinds nur Krallen an 3 Beinen statt an 4!)

August.

Ich war auf Urlaub in Deutschland. 10 Tage. Und jeden einzelnen davon habe ich meinen Seelenhund vermisst. Natürlich hatte ich auch für unsere Fellnasen etwas im Koffer - und Wolfskin hat sich schon ganz nach Josy- und Shunka-Manier beim Kofferauspacken mit angestellt.

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Mein Schatz ist so ein lieber Kerl. Er genießt jetzt die Gassirunden aus vollen Zügen. Es wird geschnuppert und markiert was Nase und Blase hergibt, es wird auch schon mal Anlauf genommen und ordentlich geflitzt! Wolfskin hat sich super an die Schleppleine gewöhnt und weiß genau, wohin er seine Beine setzen muss, um sich nicht zu verheddern.

In unser Hochsicherheitsgehege geht Wolfskin nur noch, wenn wir das Haus verlassen, weil er da ja notgedrungen hindurch muss, um in den Hof zu kommen. Ansonsten interessiert ihn das Gehege überhaupt nicht mehr; nicht mal seine ehemalige Pullerecke ist einen Abstecher wert. Anfangs haben wir das Gehege noch genutzt, um ihn darin anzuleinen, aber in Vorbereitung auf das Nicht-Vorhandensein der Gitter haben wir es uns angewöhnt, ihn immer im Hausflur schon an die Leine zu nehmen.  Und das klappt super.

Nun war es wiedermal an der Zeit, einen Schritt weiterzugehen.

Wir hatten im Laufe des Sommers einen Garten an die Rückseite unseres Hauses gebaut, mit Maschendrahtzaun und Koniferen auf einer Seite und einem schmucken Holzzaun und -tor auf der anderen. Das Ganze ist nur etwas einen Meter hoch - also im Ernstfall nicht wirklich eine Hürde für unseren schon einmal entwischten Rumänen...  Aber inzwischen waren viele Wochen vergangen, und Wolfskin hatte sich geändert, sich an uns gewöhnt. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass er von uns weg wollte. Also wagten wir am 19.8. das erste Mal, ihm im Garten die Leine abzunehmen und frei laufen zu lassen. Wolfskin schhnupperte an jeder Konifere, untersuchte den Holzhaufen an der Garagenrückseite und machte es sich dann kurzerhand unter dem Gartentisch bequem. Er machte nicht eine einzige Sekunde Anstalten, im Zaun nach einem Schlupfloch zu suchen. Es war so herrlich, ihn so entspannt und "frei" zu sehen. Er nutzte das frische Grün, um ordentlich "abzuhängen" und einfach nur ein "fauler Hund" zu sein. Und auch für uns war die neue Freiheit ziemlich bequem:  wir mussten nur durchs Haus und die Hintertür aufmachen - schon waren wir im Garten.  Konnte es besser laufen? Wer hätte das noch vor wenigen Wochen gedacht?

Im Garten!

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